Gehaltspfändung von Arbeitnehmern

Gehaltspfändung von Arbeitnehmern

Während der Umgang mit gepfändeten Arbeitslöhnen in größerer Unternehmen zur täglichen Arbeit gehört, haben kleinere Unternehmen häufig Schwierigkeiten nach der Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses richtig zu reagieren. Zunächst besteht eine Pflicht des Arbeitgebers zur Mitwirkung, er muss den pfändbaren Arbeitslohn richtig ausrechnen und haftet unter Umständen für Fehler bei der Auszahlung.

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird zugestellt: Was bedeutet das und was muss man tun?


Dem Arbeitgeber wird durch das Vollstreckungsgericht ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (häufig auch nur „PfÜB“ genannt) zugestellt. Er enthält den Tenor, dass die Lohn- oder Gehaltsforderung eines Arbeitnehmers, die dieser gegen den Arbeitgeber hat oder zukünftig künftig haben wird, in Höhe eines konkreten Betrages gepfändet und dem Vollstreckungsgläubiger „zur Einziehung überwiesen“ wird. Dabei verwirren oftmals schon die Bezeichnung der jeweiligen Partei:

  • der Arbeitgeber wird im Pfändungsverfahren als Drittschuldner bezeichnet,
  • der Arbeitnehmer ist der (Vollstreckungs-)Schuldner,
  • derjenige, dem der Arbeitnehmer Geld schuldet, ist der (Vollstreckungs-)Gläubiger.

Mit Zustellung des Überweisungsbeschlusses an den Arbeitgeber wird automatisch der Gläubiger Inhaber der Gehaltsforderung, soweit die Forderung besteht und pfändbar ist. Insoweit wird dem Arbeitgeber verboten, die gepfändete Forderung, welche die Pfändungsfreigrenze übersteigt, an den Arbeitnehmer zu bezahlen. Innerhalb der Pfändungsfreigrenzen darf und muss der Arbeitgeber den Lohn weiterhin an den Arbeitnehmer auszahlen.

Es ist deshalb zunächst die Pfändungsfreigrenze zu ermitteln, was nicht ganz einfach ist:

Da die Vollstreckungsgerichte nicht verpflichtet sind, die Pfändungsgrenze ziffernmässig anzugeben, verweisen sie in der Regel nur auf die Tabelle des § 850 c ZPO. Deshalb muss der Arbeitgeber anhand des § 850 c ZPO die Pfändungsfreigrenze selbst ermitteln. Der Gesetzgeber hat die Pfändungsfreibeiträge in Pfändungstabellen veröffentlicht. In diesen Tabellen kann anhand des Nettolohns des Arbeitsnehmers und der Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen der pfändbare Betrag abgelesen werden.

Seit dem 1. Juli 2013 liegt die neue Pfändungsfreigrenze bei dem Sockelbetrag in Höhe von EUR 1.045,04 im Monat. Es ist auch zu beachten, dass sich der unpfändbare Teil des Arbeitseinkommen alle zwei Jahre ändert.

Das Arbeitseinkommen ist daher in dieser Höhe grundsätzlich unpfändbar. Der unpfändbare Teil des Arbeitseinkommen erhöht sich, wenn der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung (z.B. seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder einem anderen Verwandten) Unterhalt schuldet.

Für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird erhöht sich die Pfändungsfreigrenze um EUR 393,30 monatlich, und um je 219,12 Euro monatlich für die zweite bis fünfte Person. Da es weitere Ausnahmen und Erweiterungen gibt, auf die nicht alle einzelnd eingegangen werden kann, ist hier die Inanspruchnahme professioneller Hilfe oftmals kaum zu verhindern (Ansprechpartner kann hier oftmals der Steuerberater sein).

Dies zeigt sich auch an den folgenden Ausnahmen. Diese Bezüge können grundsätzlich nicht gepfändet werden:

  • zur Hälfte der für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlte Teil des Arbeitseinkommens;
  • die für die Dauer des Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezüge, Zuwendungen aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses und Treugelder, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen;
  • Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen;
  • Weihnachtsvergütungen bis zum Betrag der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens bis zum Betrag von 500 Euro;
  • Heirats- und Geburtsbeihilfen, sofern die Vollstreckung wegen anderer als der aus Anlass der Heirat oder der Geburt entstandenen Ansprüche betrieben wird;
  • Erziehungsgelder, Studienbeihilfen und ähnliche Bezüge;
  • Sterbe- und Gnadenbezüge aus Arbeits- oder Dienstverhältnissen;
  • Blindenzulagen.

Wird das Gehalt des Arbeitnehmers gepfändet, weil er z. B. den Unterhalt für sein Kind nicht zahlt, gelten Sonderregeln.

Es können auch eigene Einkünfte einer Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eine Rolle spielen, da das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers bestimmen kann, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise nicht berücksichtigt wird.

Auch bei der Ermittlung Unterhaltsberechtigten Personen des Arbeitnehmers lauern gewisse Haftungsfallen, z.B. kann man sich nicht immer auf die in der Lohnsteuerkarte eingetragenen Angaben zu den unterhaltsberechtigten Personen verlassen. Das gilt speziell für den Kinderfreibetrag 1,0. Dieser kann für ein Kind oder für zwei Kinder stehen, dies ist aus der Lohnsteuerkarte nicht ersichtlich. Des Weiteren sind Kinder über 16 Jahren nur auf Antrag in die Lohnsteuerkarte einzutragen.

Es reicht außerdem nicht, die Zahl der unterhaltsberechtigten Personen festzustellen. Weitere Voraussetzung für deren Berücksichtigung bei der Ermittlung des pfändbaren Lohns ist, dass der Arbeitnehmer den betreffenden Personen auch wirklich Unterhalt zahlt. Es ist daher zu empfehlen, dass man sich vom Arbeitnehmer schriftlich bestätigen lässt, welchen Personen gegenüber er unterhaltsverpflichtet ist und wem er auch tatsächlich Unterhalt leistet. Die unterschriebene Erklärung sollte mit zu den Lohnunterlagen genommen werden.

Soweit das Arbeitseinkommen die Pfändungsgrenze übersteigt, ist das Verbot, an den Arbeitnehmer zu bezahlen, strikt zu beachten. Der Arbeitgeber kann insoweit nach der Lohnpfändung durch Zahlung an den Arbeitnehmer nicht mehr von seiner Leistungspflicht frei werden, d. h. im Falle einer Auszahlung des gesamten Arbeitsentgeltes an den Arbeitnehmer wäre der Arbeitgeber verpflichtet, den die Pfändungsgrenze übersteigenden Betrag nochmals an den Vollstreckungsgläubiger zu bezahlen.

Von der Rechtmäßigkeit des PfÜB muss sich der Arbeitgeber nicht überzeugen. D. h., der Arbeitgeber wird auch dann von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer frei, wenn er aufgrund eines zu Unrecht erlassenen oder ohne sein Wissen wieder aufgehobenen PfÜB den pfändbaren Betrag an den Vollstreckungsgläubiger bezahlt.

Schließlich hat der Arbeitgeber die Pflicht, dem Vollstreckungsgläubiger gegenüber nach der Pfändung und nach Aufforderung (häufig bereits im PfÜB enthalten) folgende Erklärungen (sog. „Drittschuldnererklärung“) abzugeben:

  • ob er eine Gehaltspfändung eines Arbeitnehmers als begründet anerkennt und zur Zahlung bereit ist;
  • ob und welche Ansprüche andere Personen an der Gehaltsforderung geltend machen;
  • und ob bereits andere Gläubiger das Gehalt gepfändet haben.

Die Frist für die Auskunft beträgt zwei Wochen nach Zustellung des PfÜB (soweit er eine Aufforderung enthält). Bei nicht rechtzeitiger, unvollständiger oder falscher Auskunft, besteht das Risiko für den Arbeitgeber sich eines Schadensersatzanspruches auszusetzen.

Hat der Arbeitgeber eine aufrechenbare Gegenforderung gegen den Arbeitnehmer, darf er auch gegen die Forderung des Vollstreckungsgläubigers aufrechnen.

Normalerweise ergeht der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in einem Bescheid, so dass die Pfändung und Verwertung gleichzeitig erfolgen. Ergeht zunächst nur ein Pfändungsbeschluss, darf der Arbeitgeber den pfändbaren Betrag noch nicht an den Gläubiger bezahlen.

Was ist zu beachten, wenn mehrere Gläubiger gegen denselben Arbeitnehmer vollstrecken?


Bei mehreren Pfändungen gilt der Prioritätsgrundsatz, daher ist die frühere Pfändung vollständig zu erfüllen, also pfändbares Gehalt ist solange an den ersten Gläubiger auszuzahlen, bis der Gesamtbetrag mit Zinsen und Vollstreckungskosten aus dem ersten PfÜB getilgt ist. Die Befriedigung der Vollstreckungsgläubiger hat also in der Reihenfolge der zugestellten PfÜB´s zu erfolgen.

Verstößt der Arbeitgeber gegen den Prioritätsgrundsatz und zahlt er versehentlich aufgrund einer nachrangigen Forderung, wird er gegenüber dem vorrangigen Gläubiger nicht von seiner Zahlungspflicht befreit und muss nochmals bezahlen. Allerdings kann er dann den an den falschen gezahlten Betrag zurückverlangen, hier trägt er aber das Prozessrisiko und damit auch das Insolvenzsisiko.

Wenn sich der Arbeitgeber bei mehreren erfolgten Pfändungen nicht sicher ist, an wen er zahlen soll, ist zu empfehlen, den pfändbaren Betrag beim Vollstreckungsgericht zu hinterlegen und damit die Verteilung des Erlöses dem Vollstrechungsgericht zu übertragen.

Die Hinterlegung erfolgt bei dem Vollstreckungsgericht, dessen PfÜB dem Arbeitgeber zuerst zugestellt worden ist und unter Angabe des Sachverhaltes und Aushändigung aller dem Arbeitgeber zugestellten PfÜB´s.

Über den Autor

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit Jan Schnedler von Grenius Rechtsanwälte in Hamburg entstanden. Er ist Spezialist für die Themen Technologietransfer, Wirtschaftsrecht, IP/Geistiges Eigentum und IT-Recht.

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